Pressestimmen
- Die Presse, Nr. 3010, 2. August 1958: „Ungarns junge Malergarde in Gumpendorf“
- Magyar Híradó , 15. Jahrgang, Nr. 8, 1. August 1971: „Begegnungen“
- Donau-Bote,
15. Jahrgang, Nr. 8, September 1971: „Ausstellung einer visionären
Künstlerin in Wien“
- Kurier, 2. Dezember
1971: „Eine Fuchs Entdeckung für unseren Kohlenzug“
- Wochenpresse
– „Wie – Wo“, Nr. 50, 14. Jahrgang, 19. Dezember
1971
- Wochenpresse,
Nr. 11, 27 Jahrgang, 15. März 1972
- Dr. Maria Visek, Ausstellung:
Galerie in der Blutgasse 1976
- Magyar Híradó, 1976: Eine neue Eva Nagy in der Blutgasse
- Magyar Híradó, 1977: Zwei Malerinnen
- SZ Feuilleton, Nummer 17,
21. Januar 1978: „Bildersprache als Ausdrucksmittel – Die Malerin
Éva Nagy
- stellt in der Galerie am Marktplatz aus“
- Kultur, 8. Juli 1986
- Karlsruhe Kultur
Deutschland, Badische Kulturnachrichten, Nr. 290, 15. Dezember 1988: „Die
Farben der
- Verzweiflung“
- Tibor Hanák, 1981: „Éva Nagys Bilder“
- Wiener Kunsthefte 7/8/1986: „Éva Nagy – Maler kaufen ihre Bilder“
- Wiener Kunsthefte 7/8/1986:
Ernst Fuchs „Über Éva Nagy“
- Wiener Kunsthefte 7/8/1986:
Maria Visek „Éva Nagys Kunst“
- Wiener Kunsthefte 7/8/1986:
Éva Nagy „Über mich und die Abstraktion der Welt“
- Pfälzer Tagblatt, Oktober (?) 1990: „Karlsruhe: Werke von Eva Nagy in der Galerie Suciu“
- Badische Neueste Nachrichten, 45. Jahrgang, Nr. 293, 19. Dezember 1990: „Zur Ausstellung in der
- Galerie Emilia Suciu“
- Karlsruher Nachrichten, Oktober 1991: „Im Labyrinth“
- Oser Bote, Nr. 43/95:
Galerie Kleiner Prinz – Künstler Portrait
Die Presse, Nr. 3010, 2. August 1958: „Ungarns junge Malergarde in Gumpendorf“
Bilder einer Exilausstellung - Fünf Künstler wählten die Freiheit - Wenig Geld, aber große Erwartungen
Es stehen hauptsächlich ungarische Namen in dem Gästebuch der kleinen Ausstellung. Die Maler – drei Männer und zwei Mädchen
– sitzen zigarettensuchend und auf Besucher wartend im Vorzimmer. In den drei Räumen, eine Stiege hoch in einem alten Zinshaus in der Gumpendorfer
Straße, sind 137 Zeichnungen, Ölbilder, Aquarelle und Plastiken ausgestellt – die Früchte zweier gar nicht leichter Jahre in einem
fremden Land.
Das Besondere an dieser Schau, in der Schülerarbeiten neben beachtlichen Bildwerken hängen, ist nämlich die Tatsache, dass die Veranstalter
ungarische Flüchtlingsmaler sind. Alle sind sie im Herbst und Winter 1956 von Budapest nach Wien gekommen, haben eine Zeitlang in Lagern gehaust,
Lagersuppe gegessen und Kleiderpakete abgeholt und mit dem Bleistift auf Briefkuverts und alten Formularen herumgekritzelt. Das erste Geld ging bei allen auf
Farben und Malsachen auf. Jetzt hat ihnen die ungarische Studentenvereinigung während der Sommerferien ihr Klublokal zur Verfügung gestellt, wo die
fünf zum ersten Mal Arbeiten ausstellen dürfen, die in echter Freiheit entstanden sind.
Ein Bart aus Protest
Barna Sartory, ein vierschrötiger Bildhauer mit einem kohlschwarzen Apostelbart, ist mit seinen 31 Jahren der älteste in dem Emigrantenhäuflein.
„Den Bart habe ich nicht aus Schmockerei“, erklärt er bedächtig. Während der Revolution war es für die Rebellen und ihre
Freunde eine Art Protestmode, mit bärtigen Gesichtern herumzulaufen (außerdem: hatten sie für das Rasieren weder Zeit noch Seife) und man
konnte dafür zur Polizei geholt und als „dekadenter Westler“ gewaltsam barbiert werden. Später hat sich Sartory dann vorgenommen,
sich so lange nicht zu rasieren, als die Russen noch in Ungarn stünden.
Sartory ist von Beruf ausgebildeter Architekt. Er hat in Budapest Architektur studiert, weil er nicht Bildhauer werden wollte, solange man dort „solchen
Dreck“ von den Künstlern verlange. Die Sujets hat er bis zum Überdruss satt: muskulöse Arbeitergruppen, Sportlerinnen, den Blick in die
Zukunft gerichtet, Stalin in allen Posen. Wenn schon sozialistischer Realismus, dann baute Sartory lieber Häuser...
Matisse war unbekannt
Er ist auch der einzige unter seinen Malerfreunden, der alt genug ist, um von früher her noch eine konkrete Erinnerung an „den Westen“ zu
bewahren. Die anderen – die junge blonde Agnes Kiss, die ehemalige Professorengattin Éva Nagy, der begabte Lajos Czimadia und der blutjunge
Gymnasiast Antal Vizy – haben Westeuropa und seine Kunst erlebt wie Kinder das erste Weihnachtsfest. Das Erlebnis der Kunst war für sie unlösbar
verbunden mit dem Erlebnis der Freiheit und es ging ihnen darin sehr ähnlich wie ihren deutschsprachigen Kollegen im Jahr 1945: mit einem Heißhunger
ohne gleichen stürzten sie sich auf Chagall, Matisse, Braque und die anderen Klassiker, die sie bis dahin nur aus verstohlen weitergerichteten
Zeitschriftenexemplaren gekannt hatten.
Materiell gesehen, haben die fünf jungen Künstler mit ihrer Flucht eine sichere Karriere für eine höchst präkere und ungewisse
Zukunft aufgegeben. Im vorrevolutionären Ungarn konnte jeder Kunststudent, wenn er politisch gar nicht exponiert war, auf ein knappes, aber ausreichendes
Stipendium und später auf einen stetig fließenden Strom von Aufträgen rechnen, mit denen staatliche Genossenschaften, Ministerien und Fabriken
nicht geizten. Wer Lust hatte, in endloser Folge streng linientreue Sportfeste, Arbeiterversammlungen und Armeeparaden zu malen, brauchte bald keine
künstlerische und keine materiellen Sorgen mehr zu haben.
Sie wollen nichts geschenkt
Alle arbeiten sie wie besessen: Sie wollen sich’s nicht leicht machen und sie wollen nichts geschenkt haben. Sie wünschen sich, was alle jungen Maler
haben wollen: Ein eigenes Atelier und eine Reise nach Paris. Heimweh? Da werden sie alle ernst. Natürlich haben sie Heimweh, trotzdem Wien auch schön
ist – „beinahe so schön wie Budapest“, sagt Barna Sartory, und man merkt: Das ist ein großes Kompliment.
Der bärtige Bildhauer erzählt auch, wann er zum ersten Mal den festen Entschluss gefasst hat, seine Heimat zu verlassen: 1949, als in Ungarn ein Gesetz
herauskam, das Privatleuten die Haltung von Privatflugzeugen verbot. Er wisse mit völliger Sicherheit, sagt Sartory, dass er es niemals im Leben zu einem
Privatflugzeug bringen werde und er wolle auch gar keines – aber um keinen Preis wolle er in einem Staat leben, in dem man es ihm verbietet.
Magyar Híradó, 15. Jahrgang, Nr. 8, 1. August 1971: „Begegnungen“
1. Allein, gegen den Strom
Diese Ausstellung besteht aus nicht mehr als knapp fünfzig Bildern an einer einzigen Wand. Sie sind dicht aneinandergerückt – aus Platzmangel.
Durch diesen Zufall oder Zwang ist aber ein Stromkreis zustandegekommen, der das Geheimnis der Bilder aufdeckte und die Vision der Künstlerin Eva Nagy
als eine Einheit präsentierte. Im kleinen Raum sind das Wiener Fernsehen, einer der bedeutendsten Rundfunkstationen, Politiker, Ästheten zugegen, aber
im Moment ist die wichtigste Person der Künstler Ernst Fuchs, der als „ungekrönter König“ des Wiener Kunstlebens gilt. Er
eröffnet die Ausstellung. Er analysiert diese Kunst mit großem Fachwissen und mit feinem Künstlerinstinkt und bezeichnet die Künstlerin
Eva Nagy die bedeutendste Vertreterin des europäischen Expressionismus unserer Zeit. Eine Revelation. Das Entscheidende dabei sei, daß sie den
wichtigsten Charakterzug des Expressionismus weiterführe, den Dynamismus.
Alles gerät in Bewegung, die fünfzig Werke an der Wand sind eine einzige Vision. Alles kommt auf die einsame Künstlerin zu, strömt
ihr entgegen. Sie zeichnet und malt den Roman des Lebens, der Zeit – unbewußt, wie im Halbschlaf. Was auf sie zukommt, ist ein einziger
schwarzer Fasching: Massen, die bald auseinandergerissen werden und bald miteinander verschmelzen, Freudenmädchen alter Zeiten und blaße
Dichter, aus dem Alptraum der Morgendämmerung herausragende Massenmörder, scheinheilig tötende Ideologen mit vorgefallenen Schultern,
die die Massen durch graue Korridore in das auswegslose Dasein treiben. Ein Fahrrad hängt an der Wand über dem Bett, unaufhörliches
Treten der Pedale – Zertretenwerden durch das Leben. Nachtlichter fallen ins Zimmer ein, Menschengesichter strömen herein, Profile, Augen,
der ganze Menschenwirbel Michelangelos – ohne den richtenden Christus.
Eva Nagy wurde in Siebenbürgen, in Enyed (Aiud) geboren. Ihr Schicksal war eins mit dem gefallenen Siebenbürgen. Klausenburg. Dann Budapest.
Und dann Wien. Sie malte jahrelang Augen auf Schokoladepuppen. Zwei Punkte, immer wieder. In einer Schokoladenfabrik.
Aladár Kovách
Donau-Bote, 15. Jahrgang, Nr. 8, September 1971: „Ausstellung einer
visionären Künstlerin in Wien“
Diese Ausstellung ist fast eine Pariser Geschichte. Die „Galerie“
ist ein kleines Geschäft, nur eine Wand dient als Ausstellungsfläche.
Hier werden etwa 50 Bilder aufgehängt, kleinere und grössere-,
bis zur Zimmerdecke hinauf. Bei jedem anderen Künstler würde dies
die Wirkung verderben. Bei Éva Nagy liefert dies aber fast einen
Schlüssel zum Geheimnis ihrer Kunst. Es zeigt die grandiose Einheit,
die Homogenität ihrer immer fluktuierenden, in ständiger Strömung
befindlichen Kunst. Zu einer einzigen grossen Erscheinung sind die fünfzig
Bilder zusammengeschweisst: dies ist der Menschfluss des letzten Urteils
von innen durchleuchtet, sie kommen, strömen dir entgegen, die flüchten
vor etwas, erfüllt mit Kaffkascher Angst, innerem Zittern, violette
Schatten im Lebenswald, und dieser Wald ist in seiner durchscheinenden Realität
das Lebensgefühl des gefallen Siebenbürgens. Das tödliche
Erbe dieser Generation. Die Ausstellung hat internationales Echo.
Prof. Ernst Fuchs stellt sie so vor:
Schon in den fünfziger Jahren, während ich die Klasse Professor
Güterslohs noch gelegentlich besuchte, war mir die aussergewöhnlich
sensible Künstlerin aufgefallen. Das feine Gewebe ihrer Bilder faszinierte
mich. Später, als ich Gelegenheit hatte, eine Galerie unter eigener
Direktion zu führen, war Éva Nagy unter jene Künstlern,
die zu fördern ich mir vorgenommen hatte. Ihre Werke gehören nicht
der Wiener Schule an, ja stehen dieser nicht einmal nahe, und doch ist sie
schon damals, obwohl in meiner Galerie fast ausschliesslich Phantasten gezeigt
wurden, mein Liebling gewesen. Mag sein, dass gerade der Umstand, dass sie
meinem Wesen diametral entgegengesetzt, die labyrinthische Unterwelt der
Mütter im Schosse der Erde zeigt, und weil das Thema und seine Behandlung
meine Innenwelt ergänzend mich anzieht und bewegt, bin ich heute wie
damals ein Bewunderer und auch Sammler ihrer Kunst. Neuerdings vermittelt
sie dem Beschauer das Kaleidoskop der Introspektion erweiternd, bisweilen
auch verlassend, uns einen Blick durch ihre meist halbgeschlossenen, lichtempflindlichen
Augen auf ein Stück Umwelt, Landschaften, Blumen, Menschen. Diese Wendung
zur Natur und Studie ist, glaube ich, ganz besonders erfreulich, weckt sie
doch die Hoffnung, dass Éva Nagy den seltenen Weg der Verjüngung
und des Heiter-Werdens durch die Betrachtung der Natur entdeckt hat.
Éva Nagy – einige Protokollsätze über sich selbst:
In Siebenbügen 1921 von ungarischen Eltern geboren, fing ich schon
in der Mittelschule zu malen an. 1950 bis 1954 besuchte ich die Akademie
der Bildenden Künste in Budapest.
Nach dem Aufstand im Jahre 1956 kam ich nach Österreich, wo ich ein
Stipendium erhielt und in Wien die Akademie der Bildenden Künste besuchte.
In den Jahren 1958 und 1959 nahm ich an mehreren Ausstellungen emigrierter
ungarischer Künstler in München, Hamburg und Berlin teil. Meine
Arbeiten fanden Beachtung. 1965 stellte die Galerie Prof. Ernst Fuchs meine
Bilder und Graphiken aus. Prof. Fuchs unterstützt meine Bestrebungen
seit unserer gemeinsamen Zeit in der Akademie und erwarb einige meiner Bilder.
Mehrere meiner Ölbilder und Pastelle sind im Besitz der Österreichischen
Galerie und des Ministeriums für Unterricht. Auf Einladung des „Atelier
International“ M. Langlet verbrachte ich im Jahre 1970 einen Monat
zu Studienzwecken in Séguret in der Provénce. Anschliessend
nahm ich an der Kollektivausstellung dieser Gruppe mit gutem Erfolg teil.
Kurier, 2. Dezember 1971: „Eine Fuchs-Entdeckung
für unseren Kohlenzug“
„Éva Nagy ist die grösste Entdeckung meines Lebens. Sie
ist besser, als ich es je war, und ich kann nur allen meinen Freunden raten,
Werke von ihr zu erwerben. Denn erstens sind ihre Bilder eine hervorragende
Geldanlage, und zweitens sind sie die besten und originellsten.“ Der
das sagt, müsste es eigentlich wisses, ist ist nämlich kein Geringerer
als Professor Ernst Fuchs, prominenter Vertreter des Wiener Phantastischen
Realismus.
Wochenpresse –
„Wie – Wo“, Nr. 50, 14. Jahrgang, 19. Dezember 1971
„Die Éva ist die grösste Begabung unter den österreichischen
Expressionisten“, sagt Prof. Ernst Fuchs, Grossmeister der Wiener
Schule des phantastischen Realismus.
Wochenpresse, Nr. 11, 27 Jahrgang, 15. März
1972
„Sehr getroffen“ fühlte sich Wiens oberster phantastischer
Realist Ernst Fuchs von dem Porträt, das die ungarische Malerin Éva
Nagy geschaffen hat. Die Malerin, die 1957 aus Ungarn flüchtete und
danach noch einmal bei Albert Paris Gütersloh an der Wiener Kunstakademie
studierte, ist die erste, die Fuchs porträtieren durfte, weil sie der
Meister für „eine authentische und überzeugende Expressionistin“
hält. Mit Porträts (für die sie derzeit nach weiteren geeigneten
Modellen, die sie künstlerisch interessieren, Ausschau hält),
Landschaften und introvertiert-versonnenen Bildern wird sie das Fuchs-Konterfei
noch in diesem Frühjarhr in der „Galerie 10“ des vielgewandten
Wiener Kunsthändlers Manfred Scheer ausstellen. Und weil sie „die
echte künstlerische Atmosphäre“ um Fuchs, der Éva
Nagy schon zu Zeiten förderte, als er selbst noch eine Galerie in der
Millöckergasse managte und die darbende Malerin noch Stanniolpapier
für Schokoladeosterhasen bemalte, so faszinierte, will sie sich noch
einmal porträtistisch auf den bärtigen Maler stürzen. Freilich,
meint Fuchs, „muss man ihr die Bilder sofort wegnehmen, sont übermalt
sie sie gleich wieder – aus Ersparnisgründen“.
Dr. Maria Visek, Ausstellung: Galerie in der Blutgasse
1976
Sie leistet den Beweis, dass Gestalungsprozesse mit Prozessen seelischer
Selbstfindung konvergieren: das aufregende Drama einer differenzierten Gestaltung
erweist sich zugleich als Drama der menschlichen Seele auf ihrem Wege zur
Selbstfindung. Der psychologische Reiz ihrer Werke liegt in der wiederkehrenden
Darstellung verschiedener Konfliktsituationen und führt die Bedeutung
der Aggressivität vor Augen, welche das menschliche Zusammenleben in
jeder Form der Gemeinschaft wesentlich bestimmt.
Dabei wird deutlich, dass sie keine „heile Welt“ in ihren Werken
vermittelt, sondern manchmal mit dem „bösen Blick“ –
wie eben Karl Kraus gemahnt – das „allzu Menschliche“
aklimatisiert. Freilich fehlt diesen Bildern auch der geringste Anhauch
von Zynismus ebenso wie Sentimentalität. Hier wird Verlangen, Angst
und Leid festgehalten – die „Empfindung“ wird dem Betrachter
überlassen.
1921 in Siebenbürgen von ungarischen Eltern geboren, fing sie schon
in der Mittelschule zu malen an. 1950 bis 1954 besuchte sie die Akademie
der bildenden Künste in Budapest, wo sie auch ihr Diplom erhielt. 1956
kam sie nach Österreich und studierte hier an der Akademie der bildenden
Künste und erhielt 1959 den österreichischen Füger-Preis.
Auf Einladung des „Atelier International“ M.L. verbrachte sie
1970 einen Monat in Séguret in der Provence.
Magyar Híradó, 1976: Eine neue Eva Nagy in der Blutgasse
Unter den in Österreich heimisch gewordenen Künstlern gebührt der aus Siebenbürgen gebürtigen Eva Nagy, die die Kunstakademie in Budapest und Wien absolviert hatte, eine besondere Rolle. Die als Expressionistin bezeichnete Malerin von außerordentlicher Begabung nimmt nach ihren früheren Bildern nun ein neue Wende: Sie komprimiert ganze Welten in verhältnismäßig kleinem Raum zusammen, indem sie alle Möglichkeiten der Leinwand bzw. des Papiers ausnutzt. Diese introvertierten Bilder wirken auf den Betrachter, um es in der Sprache der Literatur auszudrücken, wie Gedichte: Sie erschließen sich nicht sofort, man muß sie immer wieder und möglichst lange beobachten, bis sie all ihre Schönheit und all ihren gedanklichen oder gefühslmäßigen Inhalt freigeben. Bei den neuen Bildern von Eva Nagy muß man sich in den Feinheiten der Details, der Zeichnung und dem Verlauf der Linien vertiefen. Im Ausstellungsraum von Dr. Maria Visek in der Blutgasse sind nur zwei kleinere Räumlichkeiten mit diesen Bildern gefüllt, aber auch das Wenige verrät viel: Der Betrachter wird von diesen Kompositionen bezaubert, er kommt nicht so leicht von ihrer Wirkung frei. Es ist eine Ausstellung, die mehr als einmal besucht werden muß, wie man auch Gedichtbände immer wieder zur Hand nimmt. Zum Glück ist sie noch bis zum 7. Januar geöffnet. (K.)
Magyar Híradó, 1977: Zwei Malerinnen
Man könnte es auch als symbolisch verstehen, daß man in der Galerie in der Dorotheergasse in das zweite Kellergeschoß hinabsteigen muß, um die Ausstellung von zwei ungarischen Künstlerinnen zu besichtigen. Die Bilder von Eva Nagy führen in große Tiefen, in existentielle Klüfte hinab, wo Farben und Formen durch Leiden gebrochen bzw. verzerrt werden. Das sind Ikonen der Qual, Bilder des jedem Menschen zuteil werdenden Martyriums, moderne Golgathabilder. „Ich nehme die Malerei vielleicht zu ernst“, meint die Künstlerin, „weil ich angesichts der sinkenden Linie der Menschheit von tragischen Gefühlen gepackt werde.“ Authentische Formulierung, authentische Bilder, die sozusagen keine Kunstschöpfungen im üblichen Sinne des Wortes, sondern Ausläufer des Nervensystems der Künstlerin, Bestandteile ihres Lebens sind. Sicherlich hat anläßlich der ersten größeren Ausstellung von Eva Nagy im Jahr 1965 auch Ernst Fuchs, die führende Gestalt der phantastischen Realisten, diesen Eindruck gehabt, als er die Bilder der Künstlerin die besten ungarischen expressionistischen Werke nannte.
SZ Feuilleton, Nummer 17, 21. Januar 1978: „Bildersprache
als Ausdrucksmittel – Die Malerin Éva Nagy stellt in der Galerie
am Marktplatz aus“
Soziale Dramen, eine Apokalypse nennt Éva Nagy zwei Arbeiten,
die neben einer Reihe anderer Bilder der Malerin zur Zeit in der Böblinger
Galerie am Marktplatz ausgestellt sind. „Soziale Dramen“, Titel
von zwei Bildern, die jedoch der Ausstellung insgesamt den Namen geben könnten.
Die Wiener Malerin will mit ihren Bilders nirgends den Eindruck einer „heilen
Welt“ vermittlen; ihren Bildern fehlt jedoch auch die Kritik ebenso
wie Sentimentalität. Sie ist Beobachter der menschlichen Angst, des
Leidens, des Verlangens. Gesehenes gibt sie wieder in ihrer Art, leidenschaftslos,
distanziert, ohne jemals den Versuch zu unternehmen, dem Betrachter „Empfindungen“
aufzudrängen. Er bleibt ihm selbst überlassen, seinen Standpunkt
zu finden zu dem, was da vor ihm abgebildet ist.
Éva Nagy, 1921 in Siebenbürgen geboren, lebt heute in Wien.
An der Akademie der bildenden Künste in Budapest begann sie ihr Studium,
das sie später, 1957, in Wien fortsetzte.
Ihr ganz persönliches Schicksal, das Emigranten-Schicksal – Leben
in Lagern, die Massen von Menschen, Einsamkeit, Verständigungsschwierigkeiten
auf sprachlicher, auf emotioneller Basis – wird in fast allen ihren
Bildern widergespiegelt. „Sie hat die Bildersprache als Ausdrucksmittel
gewählt“, so Karl Herrmann, der bei der Ausstellungseröffnung
den Versuch unternahm, sich näher mit der Künstlerin bekannt zu
machen. Obwohl Éva Nagy in Wien studiert hat, zeigen alle ihre Arbeiten,
dass sie sich nie beeinflussen liess vom phantastischen Realismus, vom Neo-Surrealismus
oder irgendwelchen anderen modischen Richtungen. Sie gehört, will man
sie unbedingt in ein Schema pressen, am ehesten den Expressionisten der
zweiten Generation an. Ihre Bilder, die in ihren dichtgedrängten Aussagen
jeden Rahmen zu sprengen scheinen, erhalten oft unvermutete Spannung durch
eine Gruppe, die entgegen den pastosen Tönen stark farbig ist, durch
Überdimensionales, das einer Gruppe von kleinen Dingen bedrohlich gegenübergestellt
wird.
Man muss sich Zeit nehmen zum Betrachten der Bilder, denn sie erzählen,
in vielen ineinanderfliessenden Zeichen und Formen, Geschichten menschlicher
Schicksale.
Sybille Schurr
Kultur, 8. Juli 1986
In der Neudeggergasse 6 bietet Éva Nagy einen Überblick über
ihr 50jähriges künstlerisches Schaffen. Sie absolvierte die Akademie
der bildenden Künste in Budapest und setzte 1957 ihr Studium an der
Wiener Akademie bei Professor A. P. Gütersloh fort. Der Bogen der Exponate
reicht von realistischen, die Natur malerisch interpretierenden Porträts
und Blumenbilder der dreissiger Jahre über eine beklemmende expressionistische
Figuration zu abstrakt konstruktiven Umsetzungen während der siebziger
Jahre. Dann erfolgte die Rückkehr zu einer malerisch gesehenen Landschaft,
in die Licht und Stimmung einbezogen werden.
Karlsruhe Kultur Deutschland, Badische Kulturnachrichten,
Nr. 290, 15. Dezember 1988: „Die Farben der Verzweiflung“
„Wo das Bangen um das Schicksal der Menschen aufhört, zeichnet
sich ein glückliches Weltbild, die Kunst des l’art pour l’art,
ab“, schrieb Éva Nagy Ende der 70er Jahre und stellte fest,
dass ihre Bilder hingegen eher pessimistisch wirken. „Damit will ich
erreichen, dass der Mensch mit der Gefahr einer drohenden Weltkatastrophe,
die sich auftut, konfontiert wird, damit er sie durch Verinnerlichung seines
Lebens bannen kann“, bekannt die 1921 in Siebenbürgen geborene
und 1957 nach Wien geflüchtete Künstlerin.
Zwei akademische Ausbildungen hat sie abgeschlossen, eine in Ungarn, wo
sie nicht malen durfte, was und wie sie wollte, und eine in Wien bei Albert
Paris Gütersloh. Ihr Studienkollege Ernst Fuchs erkannte die grosse
Begabung der Kollegin, nahm sich bald der talentierten jungen Frau an, die
mit ihrem kleinen Sohn nach Österreich gekommen war.
Es mag erstaunen, dass ihre dicht und fein gewobenen, in
sich versponnenen, dennoch anziehenden und sprechenden Bildern nicht auf
grössere Resonanz stiessen. Hier arbeitete eine sensible, nonkonformistische
Frau nicht an der Vermarktung ihrer Person, sondern an einem schlüssigen
Lebenswerk, das sich aus der Erfahrung der Einsamkeit, vielleicht der „transzendentalen
Heimatlosigkeit“, aus einem labyrinthischen Lebensgefühl entwickelte.
„Wenn jemand der realistischen Schule entstammt, muss er erst einen
langen Weg hinter sich bringen, bis er zum eigenen Stil gelangt“,
sagt die Künstlerin.
Die Selbstdiagnose aus den 70er Jahren trifft und verfehlt das Gesamtwerk,
dessen moderner, der Abstraktion zugewandter Teil durch einen sehenswerten
Querschnitt in der Karlsruher Galerie Emilia Suciu von Dezember `88 bis
Februar `89 repräsentiert wurde. Sie trifft, weil es in den Pastellen,
Tuschzeichnungen und Gouachen um alles andere als den schönen Schein
geht. Sie verfehlt das Wesen der Bilder, weil sie durchaus nicht pessimisitisch
wirken. Die fulminante Farbenergie, mit der Éva Nagy ihre Sujets
auflädt, auch wenn es sich um Sterbe- oder Kreuzigungsmotive handelt,
ist den Themen nicht unangemessen, aber irritierend.
Das Schmerzlichste selbst mit einem Lachen zu erzählen, das die Macht
der Empfindung dämpft, bevor sie unterträglich wird – das
ist der Gestus der Tiefverletzten, der Angstgequälten. Éva Nagys
differenzierte und schrankenlose phantasievolle Farbbehandlung ist das Lächeln,
das sich vor bern, alles ist in Auflösung, in fluchtartiger Bewegung
begriffen, die Kontur der Körper nie geschlossen oder verfestigt, sondern
stets verletzlich geöffnet, äusseren Kräften ausgeliefert,
und in der profanierten Melancholie der Mutter-Kind-Beziehung kündigt
sich der Schmdie Verzweiflung schiebt, die in den zeichnerischen Partien
formuliert wird.
Mütter schützen ihre Kinder vor dem Herannahen der Düsternis
mit ihren Leierz der Pieta an. Leibermeere wogen bewegt über die Blätter,
Flüchtende oder Gerichtete bleiben in der anonymen Masse vereinzelt.
Von dieser konkreten, nervösen Bewegung wird in späteren Arbeiten
abstrahiert. Die Ölbilder aus den 60er Jahren wiederum belegen, dass
Éva Nagys vitale Gestaltungskraft nicht aufs kleinste Format beschränt
ist.
Kirsten Voigt/BNN
Tibor Hanák, 1981: „Éva Nagys
Bilder“
Die Illustrationen der vorliegenden Nummer des „Bécsi Napló“
(Wiener Tagebuch) sind Werke Éva Nagys, die in Klausenburg, Budapest
und Wien ihre Ausbildung genoss. Ihre erste Wiener Ausstellung wurde von
Ernst Fuchs veranstaltet, als dessen Entdeckung sie gilt. Nach Fuchs ist
Éva Nagy der bedeutendste ungarische Expressionist, den er kennt.
Ihre Bilder scheinen stets den selben Gedanken ausdrücken zu wollen;
sie können sich nicht loslösen von der Erkenntnis, dass alles
Unglück ist und alles schmerzt. Eine Tuschzeichnung trägt den
Titel: Im Strudel. Doch sozusagen alle ihre Bilder bringen dies zum Ausdruck:
den Strudel der menschlichen Schicksale, die übereinander gedrängten,
einander erdrückenden Existenzen, wobei Éva Nagy einen wahrhaft
künstlerischen Beweis für ihre grosse Anteilnahme, für ihre
besorgte und ohnmächtige Liebe erbringt. Sie arbeitet mit vielen Figuren,
mit der Koprojektion vieler Szenen: vor allem mit Gesichtern, mit entgeisterten,
tief liegenden Augen zeigenden erschrockenen Köpfen, wie jene auf Edward
Munchs Bild „Der Schrei“ oder auf Werken Ensors; allein ihre
Art ist feiner und assoziativ. Mitunter gewinnt der Beobachter den Eindruck,
nicht einen Querschnitt der Menschenmasse, des Massenlebens, sondern vielmehr
jenen der menschlichen Psyche oder der Erlebniswelt der Künstlerin
selbst vermittelt zu bekommen; dieses Bild ist voller Erinnerungsbruchstücke,
verstörter Stimmungen, Halbheiten, voll von wenig Licht geworfenen
grossen Schatten, die einer einzelnen Gruppe, der Totentanz-Gemeinschaft
anzugehören bereit sind, weil sie das keine Hintertüren kennende
Gesetz der das Leben druchdringenden Ängste befolgen.
Ein Teil der Gemälde Éva Nagys widmet sich religiösen Themen;
Kalvarienberge, Kruzifixe, Schwefelregen, leidende Seelen und Leiber, geschundene
Ikone begegnen sich in einer grossen Apokalypse. „Traum vom Bösen
und von der Erlösung“ steht unter einem Gemälde. Erschütternde
Bilder, aber erschütternd auch die kompromisslose Ernsthaftigkeit der
Künstlerin. Ihre Werke sind nicht nur das Abbild, sondern die Fortsetzung
ihres eigenen Leidens. Ihre Bilder schmerzen auf dem Papier.
Wiener Kunsthefte 7/8/1986: „Éva Nagy – Maler kaufen ihre Bilder“
Die Künstlerin hat einen einfachen ungarischen Namen – sie heisst
Éva Nagy. Sie stammt aus Siebenbürgen, aus Enyed. „Ihr
Los ist das ihrer Heimat, des armen Siebenbürgen“, schrieb über
sie ein Kunstkritiker, der diesen Stern der ungarischen Malerei hochschätzte.
Für gewöhnlich wird ja das Talent in der Emigration nicht geachtet.
Und doch ist Éva Nagy eine Malerin, die als Vertreterin des europäischen
Expressionismus gilt und deren Bilder selbst von Malern mit grossen Namen
gekauft werden. So ist auch Ernst Fuchs, der berühmte Maler Österreichs,
bei fast jeder Éva-Nagy-Ausstellung unter den Käufern zu finden.
Nach seiner Meinung ist die aus Siebenbürgen stammende Künstlerin
eines der grössten Malertalente Europas.
Wie lebt nun Éva Nagy und was malt sie? Das wollten wir erkunden,
als wir sie in ihrem Atelier, Laudongasse 30, besuchten. Das Haus ist eines
der altmodischen hässlichen „Bassena“-Häuser, mit
denen Ende des letzten Jahrhunderts die Hauptstadt Österreichs übersät
wurde. In den hohen Gebäuden gibt es möglichst viele Mieter, Wohnungen
ohne Komfort und schon gar keine Aufzüge. Die Wasserleitung ist am
Gang. Man muss das Wasser manchmal ziemlich weit in die Wohnung schleppen.
Die Wohnungen haben kein Badezimmer. Das WC ist oft am Ende des Ganges und
muss von mehreren Mietern geteilt werden. Heute hat man schon viele dieser
Häuser saniert. Meistens haben die Mieter selbst die unpraktischen
Wohnungen umgebaut. Wasserleitungen wurden in die Wohnungen verlegt, ein
Teil der Küche wurde zum Badezimmer umfunktioniert, und wenn kein Platz
für eine Badewanne war, so wurde zumindest eine Dusche in einer Ecke
aufgestellt.
Die Wohnungen wurden damals fast alle nach einem Schema gebaut: Ohne Vorzimmer
betritt man gleich die Küche. Von da öffnet sich der Eingang in
ein oder zwei Zimmer. Bei Éva Nagy ist das erste grosse Zimmer das
Atelier. Wenn man eintritt, weiss man schon, dass man zu einem ernstzunehmenden
Künstler gekommen ist: nicht so sehr der Farbgeruch, als vielmehr die
Stimmung des Raumes fällt auf. Alles erzählt von ihrer Heimat
– Siebenbürgen: die Decken, die Zierteller, die Krüge, die
Spitzendeckchen längst vergangener, glücklicherer Zeiten. Und
natürlich zeugen die Bilder von der bedeutenden Kunst der Meisterin.
Oben auf den Schränken verdeckt ein Bild das andere.
Auch wenn das Atelier noch weiträumiger wäre, wenn es durch das
anschliessende „Kabinett“ vergrössert werden würde,
es wäre trotzdem zu klein für als das, was Éva Nagy in
den vergangenen 20 Jahren ihres Wiener Aufenthaltes geschaffen hat. Es kommen
Porträts und Landschaften zum Vorschein, Kunstwerke auch von anderen
Künstlern. Doch dann breitet die Künstlerin in grossen Mappen
ihre Schätze aus: Tausende Zeichnungen, farbig und schwarz-weiss, hergestellt
mit verschiedenen Techniken, die auch ohne Rahmen sehr beeindrucken. Das
alles ist ein grosser Teil des Lebenswerkes einer grossen Künstlerin.
Aber nur wenig fehlt davon. Für einen echten Künstler ist es viel
leichter zu malen as zu verkaufen. (Ausnahme sind die Kitschmaler, die viel
mehr verdienen. Davon gibt es nicht wenige unter den ungarischen „Künstlern“
in Wien.)
Éva Nagy hat zwei Akademien absolviert: eine noch in Ungarn –
die Akademie der bildenden Künste in Budapest und nach 1956 die Kunstakademie
in Wien (denn nur als Studentin kam sie zu einem Stipendium). Aber was nützt
ihr das alles? Um ihr Leben zu fristen, malte sie auf Schokoladefiguren
Augen, auf das Gesicht jeder Puppe zwei Punkte. Daheim dann malte sie, wozu
sie Lust hatte. Dabei hatte sie noch für einen Buben zu sorgen, Nahrung,
Kleidung und Schulbildung für ihn zu sichern.
So vergingen die 20 Jahre – zwei Jahrzehnte. Ihr Sohn erwarb unterdessen
ein Diplom an der Hochschule für Welthandel in Wien und hat heute eine
vorzügliche Stellung in Genf. Die Sorgen sind für Éva Nagy
geringer geworden, aber sie haben nicht völlig aufgehört. Die
Unruhe von einst, die auch in ihren damaligen Bildern zum Ausdruck kam,
hat auf den neuen Bildern kaum eine Spur hinterlassen. Diese Bilder sind
Werke eines ausgeglichenen Künstlers, der immer noch nur in Farben,
in Bewegung und Dynamik die Welt zu sehen vermag. Sie verblieb bei dem,
was sie einst charakterisierte, hat ihre Kunst aber verfeinert, hin in die
Nähe der Klassizität.
Wenn man diese Bilder sieht, den bunten Tanz der Farben und Formen, kann
man sich nicht erklären, warum die Menschen diese Meisterwerke auf
den Regalen des Ateliers verstauben lassen, während sie doch mit einem
oder anderen Éva-Nagy-Bild ihre Wohnung, ihr Leben verschönern
könnten.
Gyula Klamár
Wiener Kunsthefte 7/8/1986: Ernst Fuchs „Über Éva
Nagy“
Labyrinth: Jedes Blatt ein Labyrinth aus Menschenleibern. Fein gewoben der
Strick zur Beschreibung der Sage vom Verlorensein.
Durch alle Blätter ziehen sich Gänge und Verliese, in denen Leiber,
in sich zusammengesunken, verborgen sind; gleich dem in sich verschlungenen
Knäuel jener Schnur, mit deren Hilfe die Erforschung des Labyrinths
glücklich ausgeführt werden sollte. Unentwirrbar, und doch von
einer geheinnisvollen Ordnung erfüllt.
Betrachtet man die Werke Éva Nagys länger, und das ist nötig,
erhellen sich allmählich die düsteren Katakomben und die Leiber
derer, die oben noch Verzweiflung ineinanderflocht, ruhen selig geborgen
in den Eingeweiden einer gigantischen Mutter.
(Wien 1965)
Schon in den fünfziger Jahren, während ich die Klasse Professor Güterslohs noch gelegentlich besuchte, war mir die aussergewöhnlich sensible Künstlerin aufgefallen. Das feine Gewebe ihrer Bilder faszinierte mich. Später, als ich Gelegenheit hatte, eine Galerie unter eigener Direktion zu führen, war Éva Nagy unter jenen Künstlern, die zu fördern ich mir vorgenommen hatte. Ihre Werke gehören nicht der Wiener Schule an, ja stehen dieser nicht einmal nahe, und doch ist sie schon damals, obwohl in meiner Galerie fast ausschliesslich Phantasten gezeigt wurden, mein Liebling gewesen. Mag sein, dass gerade der Umstand, dass sie meinem Wesen diametral entgegengesetzt, die labyrinthische Unterwelt der Mütter im Schosse der Erde zeigt, und weil das Thema und seine Behandlung meine Innenwelt ergänzend mich anzieht und bewegt, bin ich heute wie damals ein Bewunderer und auch Sammler ihrer Kunst. Neuerdings vermittel sie dem Beschauer das Kaleidoskop der Introspektion erweiternd, bisweilen auch verlassend, uns einen Blick durch ihre meist halbgeschlossenen, lichtempfindlichen Augen auf ein Stück Umwelt, Landschaften, Blumen, Menschen. Diese Wendung zur Natur und Studie ist, glaube ich, ganz besonders erfreulich, weckt sie doch die Hoffnung, dass Éva Nagy den seltenen Weg der Verjüngung und des Heiter-Werdens durch die Betrachtung der Natur entdeckt hat.
(Wien 1971)
Wiener Kunsthefte 7/8/1986: Maria Visek „Éva
Nagys Kunst“
Sie leistet den Beweis, dass Gestaltungsprozesse mit Prozessen seelischer
Selbstfindung konvergieren: das aufregende Drama einer differenzierten Gestaltung
erweist sich zugleich als Drama der menschlichen Seele auf ihrem Wege zur
Selbstfindung. Der psychologische Reiz ihrer Werke liegt in der wiederkehrenden
Darstellung verschiedener Konfliktsituationen und führt die Bedeutung
der Aggressivität vor Augen, welche das menschliche Zusammenleben in
jeder Form der Gemeinschaft wesentlich bestimmt.
Dabei wird deutlich, dass sie keine „heile Welt“ in ihren Werken
vermittelt, sondern manchmal mit dem „bösen Blick“ –
wie eben Karl Kraus gemahnt – das „allzu Menschliche“
aklimatisiert. Freilich fehlt diesen Bildern auch der geringste Anhauch
von Zynismus ebenso wie Sentimentalität. Hier wird Verlangen, Angst
und Leid festgehalten – die „Empfindung“ wird vom Betrachter
überlassen.
(Wien 1976)
Wiener Kunsthefte 7/8/1986: Éva Nagy „Über
mich und die Abstraktion der Welt“
Die geistige Entwicklung von Gesellschaft und Mensch wird von verschiedenen
Erlebnisfaktoren mitgeprägt. Mir hat meine siebenbürgische Heimat
ihren Stempel aufgedrückt, aus dem dortigen Milieu bin ich herausgewachsen.
„Die Tätigkeit des Künstlers darf sich nicht in einer blossen
Effekthascherei erschöpfen“, lautete ursprünglich mein Leitspruch.
Mit zunehmenden Alter habe ich meine Einstellung zur Kunst revidiert: der
Künstler soll mit seinen Werken doch auf das Publikum einwirken.
Wenn jemand der realistischen Schule entstammt, muss er er einen langen
Weg hinter sich bringen, bis er zum eigenen Stil gelangt. Jedesmal ist mein
Vorhaben, die gestellten Aufgaben gewissenhaft zu prüfen, deshalb gehe
ich meistens von naturalistisch angefertigten Skizzen aus. Die Aufgabe stellt
sich aus der Erwägung, worin besteht die Abstraktion der Welt, in der
wir leben. Erst nach dem Bewältigen dieses Problems schicke ich mich
an, abstrakte Bilder zu malen. Wo das Bangen um das Schicksal der Menschheit
aufhört, zeichnet sich ein glückliches Weltbild, die Kunst des
l’art pour l’art, ab.
Trotz dieses Bemühens wirken meine Bilder eher pessimistisch. Damit
will ich erreichen, dass der Mensch mit der Gefahr einer drohenden Weltkatastrophe,
die sich auftut, konfrontiert wird, damit er sie durch Verinnerlichung seines
Lebens bannen kann.
Pfälzer Tagblatt, Oktober (?) 1990: „Karlsruhe: Werke von Eva Nagy in der Galerie Suciu“
Von beseelter Abstraktion
Es sind Bilder, von denen man nicht so schnell loskommt, die einen mit seltener, warm erdiger Farblichkeit ansprechen und mit ihrer dicht-gestaffelten Komposition immer stärker
vom Räumlichen zum Flächigen, vom Figürlichen zum Offen-Abstrakten hin tendieren. Öle, Aquarelle, Pastelle, Mischtechniken, Kreide- und Tuschezeichnungen von
Eva Nagy, die in der Karlsruher Galerie „Emilia Suciu“ vorgestellt werden, als Retrospektive hauptsächlich die 60er und 70er Jahre umfassen, allerdings ebenso einen
wichtigen Einblick in das gegenwärtige Schaffen einer Künstlerin garantieren, die trotz einer schweren Vergangenheit ihr Credo eines humanistischen Menschenbildes nicht
verloren hat.
1921 in Enyed (Siebenbürgen/Rumänien) geboren, studierte Eva Nagy zuerst an der Akademie der Bildenden Künste in Budapest bei Por Bertalan, bis sie 1956 während
des Ungarnaufstandes mit ihrem Sohn nach Wien fliehen musste. Dort setzte sie 1958 ihre Studien bei Professor Albert Paris Gütersloh an der Wiener Akademie fort und wurde von ihrem
Studienkollegen Ernst Fuchs, der das Talent seiner Kommilitonin erkannte, selbstlos gefördert. 1959 wurde sie mit dem österreichischen Füger-Preis ausgezeichnet; sie
lebt und arbeitet seit ihrer Flucht als freischaffende Künstlerin in Wien. Ausstellungen in Österreich, Deutschland, Frankreich und der Schweiz.
Wie in anonym gesteuerten Wirbeln und Strudeln werden die Menschen in den Arbeiten der frühen 60er Jahre über- und durcheinander geschleudert – weit entfernt von einem
Weltbild des l’art pour l'art. Denn, „ich will erreichen“, so hat es die Künstlerin einmal formuliert, dass „der Mensch mit der Gefahr einer drohenden
Weltkatastrophe, die sich auftut, konfrontiert wird, damit er sie durch Verinnerlichung seines Lebens bannen kann.“ Etliche Exponate dokumentieren mit apokryph-labyrinthischer
Verschlungenheit das gewissermaßen selbstverschuldete Verstricktsein des Menschen in heillose Situationen. Und doch stellt Eva Nagy nicht einseitig einen gängigen Pessimismus
zur Schau. Denn dort, wo die Farben in beklemmender Weise Trauer tragen, ein fahles Grau den karg-reduzierten Figuren die letzte Möglichkeit zum Atmen zu nehmen scheint („Im
Strudel II“), da durchzieht bereits andere Exponate („Nach besserem Streben“) ein indirekter Sog – weg aus stumpfer Vermassung und Existenzlosigkeit.
Noch gibt es den figürlich-personalen Aspekt, doch ist er bereits eingebettet in eine vertikale, sich staffelnde Bewegung, quasi als geistiger Aufschwung zu verstehen
(„Metamorphose“), indem das Körperhafte sich in einem prozeßhaften Streben aufzulösen scheint. Formen und Flächen verlieren ihre direkt-inhaltliche,
bedeutungskostituierende Aufgabe, werden zu einem individuellen, sanft-konturierten Kubismus transformiert, der jetzt die Grenze des Gegenständlichen hinter sich gelassen hat.
Eine malerische Annäherung an die Erfahrung von Transzendenz, als freier, unabhängiger, zugleich nichtsagbarer Ort. Beseelte Abstraktionen einer Dimension, die nicht bewusst,
nur geahnt, beziehungsweise geglaubt werden kann.
In den gegenwärtigen Arbeiten entdeckt man Formen expressiver Gestaltung („Tanz") wie eine stärkere, tektonisch-geometrisch orientierte Flächenaufteilung mit
härteren kantigen Konturen und schärferen, kontrastiven Segmentierungen, in denen die frühere flächenbetonte Komposition einer räumlichen Tiefe weicht.
– Bisweilen scheint es, als wären hier unbewusst konkrete Inhalte von Bildern der späten 70er Jahre („Menschenmeer“) faszinierend in den Stil der
Gegenwart „übersetzt“ worden.
Eine selten beeindruckende Ausstellung, die bis zum 31. Oktober zu folgenden Öffnungszeiten der Galerie Suciu, Karlsruhe Oststadt, Melanchthonstraße 3, besichtigt werden
kann: Montag bis Freitag von 13 bis 17 Uhr; Mittwoch von 13 bis 20 Uhr, wie nach telefonischer Vereinbarung. (07 21/69 56 58).
Matthias Brück
Badische Neueste Nachrichten, 45. Jahrgang, Nr. 293, 19. Dezember 1990: „Zur Ausstellung in der Galerie Emilia Suciu“
Wie von einer unsichtbaren Kraft zusammengehalten
Arbeiten der aus Siebenbürgen gebürtigen Künstlerin Eva Nagy / Ihr Schaffen aus den 60er Jahren
Die Bilder haben etwas Vertrautes und doch Erschreckendes, mal sieht man Menschenleiber in scheinbar chaotischer Unordnung, dann wieder abstrakte, besänftigende Formen, wie von einer
unsichtbaren Kraft zusammengehalten. Transparenz und Undurchdringlichkeit, Spannung und unbändige Kraft liegen oft ganz eng beieinander in den Werken der aus Siebenbürgen
gebürtigen Künstlerin Eva Nagy. Ihrem Schaffen der 60er Jahre ist derzeit eine der eindrucksvollsten Karlsruher Ausstellungen in der Galerie Emilia Suciu gewidmet.
Da sieht man Momentaufnahmen, verinnerlichte und abstrakt wiedergegebene Erlebnisse wie ein Straßentheater in Grün, Rot, Blau und Beige gehalten. Weiße Kontrastlinien
verbinden einzelne Szenen und sorgen für eine kaum beschreibbare Spannung, die sich bei näherer Betrachtung als entkrampfendes Element erweist. Auch das Werk
„Metamorphosis“ lebt von ungemeinen inneren Spannungen, sowohl thematisch als auch in deren künstlerischer Umsetzung. Die Pflanze, Lebenssymbol und nicht von
ungefähr als sonnenähnliches Gebilde am linken oberen Bildrand untergebracht, ist die Kraft, die Leben schafft und von der alle Lebewesen abhängen. Kompositorisch
überaus gelungen und ambivalent dargestellt, widmet sich die Reihe unterschiedlichster Menschendarstellungen diagonal über das Hochformat und sorgt für eine Balance,
die man sich zum Thema gelungener kaum vorstellen könnte.
Eva Nagy wurde 1921 in Siebenbürgen geboren, beendete 33 Jahre später ihr erstes Studium an der Akademie der Feinen Künste in Budapest und flüchtete 1956 nach
Wien, wo sie bei Albert Paris Gütersloh eine weitere, erheblich liberalere Ausbildung erhielt, als jene, bei der Ideologie in Form des „Sozialistischen Realismus“
im Mittelpunkt stand. Persönliche Schwierigkeiten, Rückschläge, Krankheit und eine ungewisse wirtschaftliche Zukunft sind es, die beim Betrachten der ausgestellten
Bilder aus den 60er Jahren greifbar werden. Gleichviel: Nie ist es die schiere Verzweiflung, nie ist es die Reflexion eines momentanen Bewusstseinszustandes, von der die Werke ihre
ungeheure Dynamik und Ladung beziehen.
Scheinbar unentwirrbare Knäuel von Menschen und Formen wandeln sich, abhängig von der individuellen Disponiertheit des Betrachters in verblüffende Zusammenhänge,
die – so unterschiedlich sie auch sein mögen – immer durch die expressive Farbgebung verstärkt werden. Ob in Aquarell-, Tempera-, Mischtechnik oder Öl,
die Arbeiten Eva Nagys sind von durchgängig höchster Qualität, wenn auch konzidiert werden muss, dass die Künstlerin nicht zu einer wie auch immer gearteten
Avantgarde zählt. Diesen Anspruch hat sie denn auch nie erhoben. Trotzdem: Dem Niveau ihrer Arbeiten tut das keinen Abbruch, ganz im Gegenteil.
Einflüsse von Picasso, Munch, Marc oder Macke sind erkennbar, die individuelle Rezeption und Weiterverarbeitung ist in sämtlichen Bildwerken der Wiener Künstlerin
überaus originär und von höchstem inhaltlichen und ästhetischen Reiz. Hoffnung, ja Gewissheit darüber, dass durchaus pessimistische Ausblicke am Ende
nützlich sind, verschlungene Labyrinthe, in denen Menschen, die durch die Darstellung des Fetisch als Werkzeug kenntlich gemacht sind, zum Schluss doch ein Ziel haben, spricht
aus den Bildwerken der großen Künstlerin. Eine der reizvollsten Ausstellungen in Karlsruhe.
Zu sehen ist sie bis 31. Oktober, montags bis freitags, 13 bis 17 Uhr, am Mittwoch zusätzlich bis 20 Uhr, in der Galerie Emilia Suciu, Melanchthonstraße 3, bei der
Lutherkirche.
Wolfgang Voigt
Karlsruher Nachrichten, Oktober 1991: „Im Labyrinth“
In ihren Bildern lässt Eva Nagy alles gleichberechtigt: die Farben, die Formen, die Menschen, die Tiere, das Innen, das Außen, das Oben, das Unten. Unwillkürlich
denkt man an paradiesische Zustände. Aber nicht erst feministische Erkundungen haben den Verdacht erhärtet, dass der christliche Mythos vom Paradies eine tiefere,
vorchristliche Schicht verdeckt hat. Vor den Heilslehren, Utopien und Erlösungsreligionen existierte eine ältere, labyrinthische Welt. Wer sich im Labyrinth befindet,
weiß nicht, ob er sich innen oder außen befindet, ob er sich rückwärts oder vorwärts bewegt, ob er abhängig oder selbständig ist. Die
für unsere westliche Gesellschaft so wesentlichen Unterscheidungen (oben/unten, innen/außen, wissen/nicht wissen) sind zweitrangig. Östliche Philosophie (z. B.
das Tao-te-King) hat zentrale Einsichten des labyrinthischen Denkens aufbewahrt. In unserer westlichen Welt, in der das Selbstbewusstheitsideal, der Kult der Distanzierung und der
Zwang zur Kontrolle dominieren, erfordert der Versuch, einen ziellosen, unentwirrbaren, chaotischen Modus des Seins auszudrücken bzw. zu leben, ein Höchstmaß
an Widerstandskraft.
Eva Nagy, die 1956 aus ihrer Heimat Ungarn nach Wien flüchtete, besitzt diese Kraft. In ihren Bildern spürt man den Wunsch und auch die Fähigkeit, distanzierte
Barrieren zu überwinden. Ohne Rüstung und Panzer, ohne Sicherheit des „Ich denke, also bin ich“, ohne selbsterrichtete Projektions- und Identifizierungsapparate
halluziniert Eva Nagy in ihren Bildern eine instabile, offene, dezentrierte Gegenwelt, in der alles miteinander verwoben scheint. Geborgenheit und geschwisterliche Zuneigung lassen
sich erahnen. Ernst Fuchs (Wiener Schule des Phantastischen Realismus), der Eva Nagy 1965 in seiner Galerie ausstellte, hat dieses futuristische Moment ihrer Kunst in seinem
Katalogvorwort festgehalten.
„Labyrinth, jedes Blatt ein Labyrinth aus Menschenleibern. Fein gewoben der Strich zur Schreibung der Sage vom Verlorensein. Durch alle Blätter ziehen sich Gänge
und Verliese, in denen Leiber in sich zusammengesunken verborgen sind; gleich dem in sich verschlungenen Knäuel jener Schnur, mit deren Hilfe die Erforschung des Labyrinths
glücklich ausgeführt werden sollte. Unentwirrbar, und doch von einer geheimnisvollen Ordnung erfüllt. Betrachtet man die Werke Eva Nagys länger – und
das ist nötig – erhellen allmählich sich die düsteren Katakomben und die Leiber derer, die oben noch Verzweiflung ineinanderflocht, ruhen selig geborgen in
den Eingeweiden einer gigantischen Mutter.“
Eva Nagy, Malerei, Zeichnungen;
Galerie Emilia Suciu, Melanchthonstraße 3
28.9. bis 31.10.1991
Oser Bote, Nr. 43/95: Galerie Kleiner Prinz –
Künstler Portrait
Éva Nagy, Wien
Geboren in Siebenbürgen/Rumänien. Diplom an der Akademie für
Bildende Künste in Budapest. 1957 Flucht nach Österreich. 1959
Verleihung des österreichischen Füger-Preises.
„Ihr Los ist das ihrer Heimat, des armen Siebenbürgers“,
so schrieb ein Kunstkritiker. Éva Nagy ist eine Vertreterin des europäischen
Expressionismus und es kommen aber auch Portraits und Landschaften zum Vorschein.
Ihre Bilder strahlen eine warmerdige Farbigkeit aus und in den dicht gestaffelten
Kompositionen ist immer stärker eine Tendenz vom Räumlichen zum
Flächigen, vom Figürlichen zum offen Abstrakten erkennbar. Beseelte
Abstraktionen.“
Pfälzer Tagblatt v. 5.10.91
„Hier arbeitet eine sensible non-konformistischen Frau nicht in der
Vermarktung ihrer Person, sondern an einem schlüssigen Lebenswerk.
Mit fulminanter Farbenergie lädt Éva Nagy ihre Sujets auf. Das
schmerzlichste selbst mit einem Lächeln zu erzählen, das die Macht
der Empfindung dämpft, bevor sie unerträglich wird. Das ist der
Gestus des Tiefverletzten, des Angstgequälten. Von einer Melancholie
der Mutter-Kind-Beziehung künden der Schmerz der Pieta und flüchtende
Wogen bewegt über die Blätter.“
Kirsten Voigt
Die geistige Entwicklung von Gesellschaft und Mensch wird von verschiedenen
Erlebnisfaktoren mitgeprägt. Éva Nagy hat die siebenbürgische
Heimat ihren Stempel aufgedrückt. Seit 39 Jahren lebt sie in Wien.
Ihr Leitspruch: „Die Tätigkeit des Künstlers darf nicht
in einer blossen Effekthascherei erschöpfen. Die künstlerische
Aufgabe stellt sich aus der Erwägung, worin besteht die Abstraktion
der Welt, in der wir leben. Erst nach Bewältigung dieses Problems schickt
sie sich an, Bilder zu malen. Wo das Bangen der Menschen aufhört, zeichnet
sich ein glückliches Weltbild ab.“